Neues aus dem Archiv
by Peter Raffelt. Average Reading Time: about 2 minutes.
Es hat jeden von uns — viele sind wir ja nicht mehr — in den letzten Tagen schon mal erwischt, da sitzen wir nichtsahnend im ehemaligen Newsroom der FTD und plötzlich wird uns klar, was nicht stimmt: wir sind allein. Noch-Kollege Björn Maatz hat das für unsere immer noch existierende Twitter-Followerschaft so auf den Punkt gebracht:
Yes! Nun bin ich wirklich der Einzige hier im Newsroom von @ftd_de. Ich kümmere mich dann mal ums #Capital.
— Björn Maatz (@BjoernMaatz) February 14, 2013
Dazu muss man wissen, dass in der Hochphase der Zeitungsproduktion ungefähr 40 bis 50 Kollegen hier die FTD produzierten, die Websites befüllten und deshalb ständig irgendwo ein Telefon klingelte oder ein kleines ad-hoc Meeting abgehalten wurde.
Die Lüftungsanlage verbreitet nun ein stetiges Hintergrundrauschen, was mir früher nie aufgefallen war. Ich würde es schon fast als laut bezeichnen. Muss ich mir Sorgen um meine Wahrnehmungsfähigkeiten machen? Neben dem Klingeln der Telefone fehlt vor allem das unermüdliche Rattern so mancher Tastatur. Damit schnurrten die Onlinekollegen die letzten Meldungen in das Redaktionssystem oder die Blattmacher redigierten unter Zeitdruck das, was die Redakteure ihnen als fertige Texte verkaufen wollten.
Mittlerweile geht die Tür des Newsrooms selten auf. Immer häufiger sind Kollegen oder andere Mitarbeiter unseres Konzerns verwundert, uns hier noch arbeiten zu sehen. Ihre Reaktionen wirken auf mich so, als würden sie in einem Keller nach Jahren den Archivar wieder treffen, von dem sie angenommen hatten, ihn gäbe es schon lange nicht mehr. Dieser Archivar seinerseits legt unermüdlich Texte und Bilder ab, von denen er hofft, sie werden irgendwie das Ende überstehen…
Ist es doch die Lüftungsanlage, die mir die Sinne vernebelt? Dann klingelt plötzlich irgendwo ein Telefon. Anfänglich tue ich so, als wenn ich das Klingeln gar nicht höre. Wer soll das schon sein? Gibt es eine News, die hier unbedingt noch verarbeitet werden muss? Und wenn ja, von wem? Der Anrufer scheint sehr hartnäckig zu sein, der Apparat klingelt jetzt wohl schon das dreißigste Mal, langsam frage ich mich natürlich, wer das sein könnte? Und was das Ganze mit mir zu tun hat?
Ach was soll’s, es hört bestimmt gleich auf und außerdem habe ich ja was zu tun, kann mich nicht um irgendwelche klingelnden Telefone kümmern, deren Plätze schon lang nicht mehr besetzt sind.
Nach ca. anderthalb Minuten Telefonklingeln, gefühlt ist das eine halbe Ewigkeit, entschließe ich mich zu handeln. Jetzt gibt es kein Zurück mehr, ich werde den Anrufer so was von zusammenstauchen, dass das Großraumbüro beben wird.
Der Entschluss ist gefasst und unumkehrbar, ich springe von meinem Platz auf, renne zu dem Apparat und reiße den Hörer hoch… und höre nur noch das leise Klicken, welches mir unmissverständlich klar macht: der Anrufer hat aufgelegt!
Um nicht vollends in die redaktionelle Schattenwelt abzudriften, habe ich mir vorgenommen, das erlebte zu verarbeiten, und einen kurzen Film dazu gedreht. Aber Achtung, anschauen nur auf eigene Gefahr!
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